Die Fellfarbe "blau"

Zeig mir das Fell und ich sage Dir die Rasse

Die Fellfarbe eines Hundes ist mitentscheidend für das Gesamterscheinungsbild und bestimmt mitunter die Hunderasse. Während bei einigen Rassen nur eine einzige Fellfarbe vorkommt, gibt es bei anderen Rassen verschiedene Farbschläge innerhalb der Rasse.

Der Weimaraner kommt in mehreren Farbschattierungen vor, die offiziell im Rassestandard als silber-, reh- oder mausgrau beschrieben werden.

Neben dem klassischen grauen Weimaraner werden auch so genannte, "blaue Weimaraner" mit aufgehelltem schwarzem Fell gezielt gezüchtet, vor allem in Nordamerika.

 

"Blaue Weimaraner"

Quintus an einer UferböschungDie Fellfarbe "blau", die wir als aufgehelltes schwarz wahrnehmen, kommt beim Weimaraner typischerweise und gemäß dem Rassestandard nicht vor. Eine Anekdote jedoch besagt, dass ein "blauer Ur-Weimaraner" (Cäsar von Gaiberg, Wurfjahr 1947, aus deutscher Zuchtlinie) aus der deutschen Weimaraner-Population von einem amerikanischen Soldaten gekauft, in die Staaten gebracht (als reinrassig anerkannt) und dort als Ur-Vater der "blauen Weimaraner"-Population diente. In jüngster Zeit sind in Europa wohl keine "blauen Weimaraner" aus den deutschen "Grauen" hervorgegangen. Jedoch werden auch vereinzelt "blaue Weimaraner" gezüchtet oder importiert, die letztlich immer aus der amerikanischen Population kommen. Nach Zuchtbuchaufzeichnungen in den USA werden seit über 60 Jahren graue mit "blauen Weimaranern" verpaart. Die genetische Grundlage dieses Unterschieds zwischen grau und "blau" wurde bislang noch nicht untersucht.
 


Vererbung der "blauen" Fellfarbe


Kommt ein Merkmal, wie beispielsweise hier die "blaue" Fellfarbe, in jeder Generation vor, so dass Nachfahren eines Merkmalsträgers insgesamt oder im Schnitt die Hälfte der Welpen ebenfalls dieses Merkmal aufweisen, liegt wahrscheinlich dominante Vererbung vor. Den Erbgang kann man anhand von abgesicherten Stammbäumen verfolgen, kritisch bewerten aber insbesondere, wenn gemischte Genotypen verpaart worden sind. Für die Vererbung der "blauen" Fellfarbe kann man feststellen, dass bei entsprechender Anpaarung in jeder Generation die Farbe "blau" vorkommt und dass aus der Kreuzung eines grauen mit einem "blauen" Hund wiederum "blaue" Nachkommen hervorgehen. Die Fellfarbe "blau" wird somit dominant an die Nachkommen vererbt: "Blau" dominiert über grau; graue Fellfarbe hingegen tritt zurück und wird daher als rezessiv vererbt bezeichnet. Dies bedeutet aber auch, dass aus der Kreuzung von zwei Grauen, kein "Blauer" entstehen kann.
 


Untersuchung bekannter Fellfarben-Gene
 

Bestimmte Fellfarben werden nicht durch ein einziges Gen allein bestimmt, vielmehr ist die Konstellation verschiedener Gene entscheidend, welches Gen dann letztendlich allein oder welche Gene zusammen zur Ausprägung einer bestimmten Fellfarbe führen. Man nennt diese Art der Vererbung gelegentlich auch polygen (poly = viel; viele Gene bestimmen die Fellfarbe). Für die Entstehung von brauner beziehungsweise schwarzer Fellfarbe bei Hunden sind mehrere Gene bekannt und bereits bei verschiedenen Hunderassen untersucht worden. Um zu klären, welches Gen die Fellfarbe beim "blauen Weimaraner" ausmacht, wurden zunächst bekannte Gene studiert. Wie kann man sich eine solche Untersuchung vorstellen? Meistens sind für die Ausprägung einer Fellfarbe nur geringe Unterschiede in einem Gen verantwortlich. Solche Veränderungen können an einer oder mehreren Stellen im betreffenden Gen vorliegen. Aus Kostengründen werden nur kleinere Ausschnitte untersucht. Von diesen Gen-Ausschnitten war bereits bekannt, dass sie bei Hunden an der Ausprägung verschiedener Fellfarben beteiligt sind. Bei dieser Untersuchung haben wir festgestellt, dass in den meisten untersuchten Genen keine Unterschiede zwischen deutschen Weimaranern und den "blauen Weimaranern" vorlagen. Dies ist allerdings nicht verwunderlich, da "blaue Weimaraner" seit über 60 Jahren mit grauen verpaart werden und sie somit genetisch sehr ähnlich sein müssen. 


Bei dieser Untersuchung zeigte sich, dass im B-Gen bei den grauen und den "blauen Weimaranern" unterschiedliche Konstellationen dieser kleinen Unterschiede vorkommen, die jeweils sogenannte Haplotypen bilden. Ein bestimmter Haplotyp war nur bei den "blauen" nachweisbar, und somit stand die Ursache für das "blaue" Fell fest: Dieser "blaue" Haplotyp birgt ein funktionstüchtiges Tyrp1-Gen, das hier verschlüsselte Genprodukt bildet dunkles Pigment, den "blauen" Fellfarbstoff. Bei den grauen Weimaranern hingegen wurden nur Haplotypen gefunden, die ein funktionsloses Tyrp1-Gen enthalten und somit zu grauer Fellfarbe führen. Da jeder Hund allerdings zwei geerbte Genkopien (eine von der Hündin und eine vom Rüden) aufweist, hat somit auch jeder Hund zwei Haplotypen. Wenn z.B. zwei mischerbige "blaue" Hunde miteinander verpaart werden, haben beide je eine funktionierende Kopie und eine nicht funktionierende Kopie des Tyrp1-Gens. Werden dann zufällig die nicht-funktionierenden Genkopien zusammen an einen Nachkommen vererbt, ist dieser grau und nicht "blau". Dieser Fall tritt gemäß dem rezessiven Erbgang mit einer statistischen Wahrscheinlichkeit von 25% auf. Somit werden immer mehr "blaue" als graue Nachkommen in "blauen" Zuchtlinien entstehen.


Braun / schwarz / grau / blau - wie kann man die Farben logisch zusammen bringen? Der wesentliche Unterschied zwischen grauen und "blauen Weimaranern" wurde am Genort B identifiziert. Aber warum ist das Fell dann nicht schlicht schwarz oder braun? Die beobachteten Fellfarben sind doch "blau" und grau! Als Erklärung kommt die Einwirkung eines weiteren Genprodukts hinzu, das sogenannte dilute mit rezessiv vererbten d-Allelen. Diese Bezeichnung lässt sich auf den englischen Begriff zurückführen, der mit "Verdünnung" übersetzt werden kann. Das betreffende Gen heißt MLPH (Melanophilin). Liegt eine bestimmte Veränderung in diesem Gen vor, wird braune Fellfarbe zu einem hellen beige, also grau verdünnt, und schwarzes Fell wird zum "blau" aufgehellt. Wir konnten bei allen untersuchten grauen und den "blauen Weimaranern" eine Veränderung im MLPH-Gen nachweisen, die häufig mit einer Verdünnung / Aufhellung der Fellfarbe einhergeht. Weiterhin spielen zwar auch weitere Gene für die Entstehung der Fellfarbe eine Rolle, aber insgesamt sind die betreffenden B-Allele zusammen mit den d-Allelen verantwortlich für die Fellfarbe beim grauen Weimaraner. Unterschiede im B-Locus, also mindestens eine funktionsfähige Tyrp1-Genkopie machen "blaues" Fell.


Nachdem der genetische Unterschied zwischen den Fellfarben den Grauen und "blauen Weimaranern" geklärt war, wollten wir auch den Ursprung bzw. die Herkunft dieser "blauen" Fellfarbe herausarbeiten. Man könnte vermuten, dass eine Mutation im Tyrp1-Gen aus einem Grauen zufällig einmal einen "blauen Weimaraner" gemacht hat. Allerdings haben unsere Untersuchungen ergeben, dass die Wahrscheinlichkeit dafür äußerst gering ist: So müssten mindestens zwei Mutationen bei einem eigentlich Grauen aufgetreten sein, um ihn "blau" erscheinen zu lassen. Die Wahrscheinlichkeit für ein solches Ereignis liegt bei weniger als 1 : 1 Billion (1 : 1 000 000 000 000). Diese Zahl verdeutlicht, dass ein solches Ereignis sehr sehr unwahrscheinlich ist: Unter 1 Billion Nachkommen von den Grauen kommt rein statistisch 1 "Blauer" vor; da bedarf es noch einige Jahrtausende intensiver Züchtung mit zig Millionen Nachkommen. Aufgrund der minimalen Wahrscheinlichkeit einer sog. Rückmutation von grau nach "blau" wurden auch ältere Stammbäume ausgewertet und ein männlicher Nachfahre des "blauen Ur-Weimaraners" in der amerikanischen Population ausfindig gemacht. Die Untersuchung dieses Nachkommen sollte weiteren Aufschluss über die Herkunft der "blauen" Fellfarbe geben. Dazu wurde das Y-Geschlechtschromosom dieses Nachfahren eingehend untersucht.



Die Y-Chromosomen von Weimaranern
 

Um den Ursprung der "blauen" Fellfarbe aufzuklären, reichte es hier nicht aus, die Erbsubstanz auf bekannte Unterschiede in den Fellfarben-Genen zu charakterisieren. Verwandtschaftsbeziehungen zu Vorfahren in einer Hunderasse können aber unter anderem mit Hilfe des Y-Chromosoms für die Untersuchung der Herkunft eines Rüden in der männlichen Vorfahrenlinie herangezogen werden. Das Y-Chromosom ist dabei von besonderem Interesse, da dieses von den Vätern immer an männliche Nachkommen weitergegeben wird. Diese Vater-zu-Sohn Vererbung führt zu einer Weitergabe eines bestimmten Y-Chromosoms über Generationen. Somit sollte der direkte männliche Nachkomme des "blauen Ur-Weimaraners" dasselbe Y-Chromosom wie sein Ur-Vater aufweisen. Daher wurden einige Abschnitte auf dem Y-Chromosom beim direkten Nachfahren des "blauen" Ur-Vaters untersucht und dann mit den Y-Chromosomen der deutschen Weimaraner-Population verglichen. Dabei stellten wir fest, dass es sich beim Y-Chromosom des "blauen Ur-Weimaraners" um ein völlig anderen Y-Haplotyp handelt als bei den nur vier unterschiedlichen Haplotypen der heutigen Weimaraner. Aus diesem Ergebnis kann man unterschiedliche Theorien zur Entstehung der "blauen Weimaraner" ableiten. Eine naheliegende Erklärung ist das Einkreuzen eines schwarzen Hundes aus einer anderen Rasse in die Weimaraner-Population. Andererseits könnten theoretisch auch "blaue Weimaraner" vor der offiziellen Gründung der Rasse existiert haben, die nicht offiziell zuchtbuchmäßig registriert worden sind. Solche Vermutungen werden allerdings von erfahrenen Züchtern bezweifelt bzw. ausgeschlossen; sie können heute auch nicht mehr wissenschaftlich überprüft werden. Zudem konnte in unserer Studie auch nur ein einziger direkter männlicher Nachkomme des "blauen Ur-Weimaraners" untersucht werden. Die Untersuchung von weiteren direkten Nachkommen wäre sicherlich aufschlussreich und könnte den Einzelbefund erhärten. Allerdings hängt dies ab vom verfügbaren Probenmaterial; lediglich einer der befragten Hundehalter in Nordamerika unterstützte unsere Studie.


Zusammenfassend muss man davon ausgehen, dass die grauen und die "blauen Weimaraner" genetisch sehr ähnlich sind, da die "blauen" schon seit über 60 Jahren gezielt mit typischen grauen Weimaranern verpaart werden. Theoretisch könnte also nach weiterer gezielter Züchtung der einzige genetische Unterschied zwischen grauen und "blauen Weimaranern" auf eine Veränderung im Tyrp1-Gen begrenzt sein, die dann mit der drastischen Veränderung der Fellfarbe einhergeht. Könnte da jemand dann auch mit der Definition der grauen Weimaraner Rasse in Schwierigkeiten kommen? Keinesfalls, denn Weimaraner sind ja nach dem Rassestandard des Weimaraner Klubs grau. Andererseits kann die Fellfarbe nicht unmittelbar die Herkunft eines Hundes erklären, da aus der Kreuzung von zwei "Blauen" durchaus ein im Erscheinungsbild typischer Grauer hervorgehen kann. Daher muss die Überschrift zu diesem Beitrag abgewandelt heißen: Zeig mir das Fell und ich sage Dir die möglichen Rassen gemäß den Rassestandards. 

(Von Wanda M. Gerding & Jörg T. Epplen, Humangenetik Ruhr-Universität Bochum / Jagd&Hund)

 

Aktuell wird vom deutschen Weimaraner-Club über DNA-Tests geprüft, inwieweit genetische Übereinstimmung  bei blauen und grauen Weimaranern herrscht. Wie auch immer:   In Exterieur und Wesen ist der Blaue dem Grauen näher als der Langhaar.

(Lit.:  Fichtlmeier, 2010,  "Weimaraner", Kosmos-Verlag)

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